Die Art und Weise, wie in der Erziehungswissenschaft das Forschungsfeld wahrgenommen wird, nach welchen Prinzipien und Regeln der Erkenntnisapparat definiert wird, definiert auch Möglichkeiten der Gestaltung der pädagogischen Wirklichkeit. Prinzipien und Regeln der Wahrnehmung sind Prinzipien und Regeln der Gestaltung des Forschungsgegenstands und seiner Erkenntnisse sowie der ihr folgenden pädagogischen Praxis.

Die erkenntnistheoretischen Grundlagen der Erziehungswissenschaft entsprechen weitgehend den erkenntnistheoretischen Grundlagen des Weltbilds der klassischen Physik (vgl. Pädagogik als Wahrnehmung von Wirklichkeit, S 54 ff.). Dieses Weltbild ist eine sehr erfolgreiche Wahrnehmungsweise für bestimmte Ausschnitte, jedoch nicht geeignet für die Planung, Steuerung und Gestaltung von Bildungsprozessen für das 21. Jahrhundert. Hierzu ist eine Wahrnehmungsweise erforderlich, die die komplexe und dynamische Natur der Realität anerkennt und ihren erkenntnistheoretischen Apparat entsprechend gestaltet.

Es gilt, den Zusammenhang zwischen der Gestalt des Erkenntnisapparats und den damit initiierten Lernprozessen der beteiligten Systeme in Forschung und Praxis, bei der Produktion und Anwendung des Wissens zu beachten. Und es ist zu fragen, wie der Erkenntnisapparat aufgrund der erkenntnistheoretischen Weiterentwicklungen in der Wissenschaft, insbesondere in den Naturwissenschaften, auch in der Erziehungswissenschaft weiterentwickelt werden kann. In der neuen Sichtweise, einer Wirklichkeitssicht des Komplexen (vgl. ebenda, S. 117 ff.), erscheinen andere Strukturen und es werden Handlungspraktiken sichtbar, die der Komplexität des Lernens lebendiger Systeme entsprechen.