Der folgende Textauszug stammt aus dem Buch von Dr. Alfred Lumpe:

"Pädagogik als 
Wahrnehmung von Wirklichkeit"  

Lernorganisation als Entwicklung der Selbstorganisation
, Frankfurt a.M. 1995, S. 290 ff

WEGE DER ENTWICKLUNG 
PÄDAGOGISCHER PROFESSIONALITÄT

Pädagogische Professionalität ist abhängig von der Wirklichkeitssicht. Mit der Weise der Wahrnehmung werden die Weichen für die Entwicklung der pädagogischen Professionalisierung gestellt. Der erste Schritt für die Entwicklung einer "neuen" pädagogischen Professionalität besteht m. E. deshalb darin, zu überprüfen, welche Wirklichkeitssicht die eigene Wahrnehmung prägt. 

Die Orientierung in der Pädagogik und die heute existierenden Schulstrukturen lassen vermuten, dass wir uns bei der Wahrnehmung von Wirklichkeit überwiegend an Mustern aus der Wirklichkeitssicht der klassischen Physik orientieren. Die Lernumwelt, die eigene Rolle als Lehrer und die der Schüler wird dann wahrgenommen und gestaltet wie der Physiker in der klassischen Physik sein Experiment aufbaut und den Zusammenhang von Welt, Subjekt und Objekt deutet. 

In der Abbildung 1 stelle ich die Organisation eines Unterrichts in diesem Weltbildverständnis dar. 
Reinhard Kahl nennt eine Pädagogik, die diesem Organisationsverständnis entspricht eine Mistrauenspädagogik die die Schüler daran hindert der eigenen Wahrnehmung zu trauen.


Diese Orientierung gilt es zunächst zu korrigieren. Wenn der Lehrer seine Wahrnehmung an der Wirklichkeitssicht des Komplexen orientiert,  nimmt er Wirklichkeit in einem anderen Kontext wahr. Er sieht, fühlt und handelt mit einer anderen Vorstellung von seiner Verbundenheit mit der Welt und sieht infolge davon auch die Lernumwelt und die Schüler anders. Die Abbildung 2 zeigt die Strukturvorgaben und die diesen Vorgaben entsprechenden Lehrer- und Schülerrollen in der Wirklichkeitssicht des Komplexen. Die Moral der Zusammenarbeit, die auch die Funktion eines Ordnungsparameters übernehmen kann, ist in diesen Räumen durch ein Vertrauen in die Wahrnehmungs- und Lern-Fähigkeit aller Beteiligten und deren Wollen bestimmt. Auf diese Pädagogik passt m. E. der Gegenbegriff der Misstrauenspädagogik: Die Pädagogik ist hier eine Pädagogik des Vertrauens.

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